Direkt zum Inhalt
Holzminden
Menü

Aktionstag „NEIN zu Gewalt an Frauen“

hinten von li.: Thomas Günther (Roxy-Kino), Hans Peter Sawatzki und Werner Friedrich (beide WEISSER RING), vorne von li.: Ilona Glenewinkel (Gleichstellungsbeauftragte Samtgemeinde Bodenwerder-Polle), Annette Allruth (GB Flecken Delligsen), Stephanie Teßmer (GB Stadt Holzminden), Sabine Wilkending (WEISSER RING), Anita Hummel (BISS Holzminden), Sigrun Brünig (GB Landkreis Holzminden)

Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis Holzminden präsentieren preisgekrönten Film "Festung", WEISSER Ring unterstützt.

Die 6jährige Moni freut sich über die Rückkehr des Vaters, glücklich springt sie ihm in die Arme. Er hat gerade eine – seiner Meinung nach erfolgreiche - Therapie hinter sich. Einige Tage später sitzt sie mit ihrer 13jährigen Schwester Johanna auf dem Bett ihrer Mutter. Diese rührt sich nicht, ist nicht in der Lage aufzustehen, zu sprechen, geschweige denn, sich um die Kinder zu kümmern, noch nicht einmal, um etwas zu essen zuzubereiten. Johanna verbindet deren blutende Hand, Moni streicht ihr übers Haar – Mama liegt wie zerbrochen im Bett. Papa hat nach seinem gewalttätigen Übergriff das Haus verlassen. Es sind eindringliche Bilder; in der Realität könnte sich das überall in Deutschland, auch in einer dem Film ähnlichen beschaulichen Region wie dem Landkreis Holzminden abspielen. Die über 60 Zuschauerinnen und Zuschauer im Holzmindener ROXY-Kino sind gebannt, erschüttert, leiden mit und freuen sich über manche kurze glückliche Abschnitte. Häusliche Gewalt aus Sicht der Kinder: Was für ein schwerer Stoff für eine Kino-Matinee am Sonntagmorgen. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Holzminden hatte in Zusammenarbeit mit BISS, der Beratungs- und Interventions-stelle bei häuslicher Gewalt, diesen mehrfach preisgekrönten Film ausgewählt. Gern unterstützte sie der Betreiber des ROXY-Kinos, Thomas Günther, der in der Pause exklusiv für die Gäste Snacks und Getränke reichte. Auch der WEISSE RING Holzminden begleitete die Veranstaltung mit Informationen über seine Arbeit für Opfer von Straftaten und zu deren Vorbeugung. Anlass der Kino-Matinee war der internationale Aktionstag „Nein zu Gewalt an Frauen“. Die weltweit stattfindenden Aktionen – so Sigrun Brünig, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, bei der Begrüßung – trügen dazu bei, dass über das Thema gesprochen und den Betroffenen Mut gemacht werde, Hilfe und Unterstützung zu suchen. Auch im Landkreis Holzminden gäbe es Familien, in denen statt Schutz und Geborgenheit, Gewalt, Angst und Ohnmacht herrschen, wie Anita Hummel aus ihrer Beratungspraxis berichtete. Häusliche Gewalt gehöre zum Alltag vieler Menschen; von April 2002 bis Dezember 2013 hätte  allein die BISS Holzminden ca. 2300 Opfer beraten. Wären es im Jahr 2003 noch 90 Frauen, die als Opfer von häuslicher Gewalt Hilfe gesucht hätten, so wäre die Zahl der Opfer im Jahr 2013 auf 323 Frauen angestiegen. Als besonders traurige Tatsache stellte sie dar, dass viele Kinder als Ohren- und Augenzeugen mit betroffen und somit genauso Opfer von häuslicher Gewalt wären. Allein in den letzten Jahren erhielt die BISS Kenntnis von 1040 derart betroffenen minderjährigen Kindern. Für Hilfe und Unterstützung wurde auch das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ genannt, eine kostenlose und anonyme Hotline mit 24-Stunden-Erreichbarkeit und Erstberatung in 15 Sprachen (08000 116 016). In der „Festung“ wurde die Gewaltspirale am Ende durchbrochen: Obwohl es in der Familie ein Stillschweigegebot gab, hatte sich Johanna - nach langer Zeit des Schweigens und Verheimlichens - ihrem Freund anvertraut; der informierte seinen Vater. Auch wenn Johanna danach zunächst in ihr Lügenmuster zurückfällt: Das Geheimnis hat das Haus verlassen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wurden dennoch im Ungewissen gelassen, wie die Geschichte ausgeht. Aus ihrer Beratungspraxis weiß Anita Hummel aber, dass das Sich-Anvertrauen der erste Schritt zur Veränderung ist.